Die Weinlagerung ist ein komplexes Thema: Warum werden viele Weine besser, wenn die Flaschen über Jahre im kühlen, dunklen Keller liegen? Warum ist die Temperatur bei der Weinlagerung wichtig? Was geschieht mit einem Wein, während er im Keller reift? Und was passiert stattdessen, wenn er auf dem Kaminsims misshandelt wird? Diesen Fragen will ich in diesem Beitrag nachgehen.

Die meisten Weine sind trinkfertig, wenn sie auf den Markt kommen, und werden durch langes Einkellern nicht besser. Sie werden auch nur wenige Jahre überdauern, bis sie hinüber sind. Gemeint sind fast alle Weine unter 5 EUR pro Flasche, um mal eine Hausnummer zu nennen. Weine in diesem Preissegment stellen von der schieren Menge die überwältigende Mehrheit aller Weine. Um diese wird es hier nicht gehen. Auch nicht um die in der Preisklasse bis 10 EUR, die manchmal von zwei oder vier Jahren Kellerreife profitieren. Ich weiss, ich pauschalisiere jetzt – aber diese schnöde Einteilung nach Preisgruppen funktioniert in diesem Fall sehr gut, auch wenn es Ausnahmen geben mag. Hier soll es um hochwertige Weine gehen, vor allem um Rotweine in der Liga der Bordeaux Grand Cru Classé, Barolo, Côte Rôtie oder Grand Crus aus Burgund, die von Kellerreife profitieren.

Perfekte Lagerung und gute Korken vorausgesetzt, können manche Weine 100 Jahre und älter werden, ohne Fehltöne zu entwickeln

Perfekte Lagerung und gute Korken vorausgesetzt, können manche Weine 100 Jahre und älter werden, ohne Fehltöne zu entwickeln

Diese Weine gehen durch verschiedene Lebensphasen. Fast alle können ganz jung, in den ersten Jahren, nachdem sie auf die Flasche kamen, mit grossem Spass getrunken werden. Warum das so ist, werde ich erläutern. Viele verschliessen sich dann, werden hart, unausgewogen und bereiten keine Freude. Nach einigen weiteren Jahren kommen sie dann in ihre prachtvolle Trinkreife. Wie lange das dauert, hängt ganz individuell vom Wein ab. Bei manchen reichen drei oder vier Jahre, ein anderes Extrem war zum Beispiel der 1928 Latour, der fast 50 Jahre brauchte, um in ein gutes Trinkfenster zu kommen. Alten Berichten zufolge war er durch die 50er und 60er Jahre hindurch vor lauter Tannin kaum trinkbar, blühte dann in den 70er und 80 Jahren auf und wurde zu einem der grössten Weine überhaupt. Aber zum Glück sind es für die meisten lagerfähigen Weine, meist nur 10 bis 20 Jahre (vom Jahrgang gezählt), bis die Trinkreife erreicht wird.

Wein ist ein aussergewöhnlich komplexes Stoffgemisch. Natürlich besteht er ganz überwiegend aus Wasser, gefolgt von Ethanol – bei einem trockenen Rotwein machen diese beiden Komponenten etwa 97 – 98% aus. Die Musik spielt in den übrigen 2 – 3%. Selbst davon entfällt der Löwenanteil auf Glycerin, die Säuren (Äpfelsäure, Weinsäure, Milchsäure, Bernsteinsäure) sowie den Restzucker, der auch im trockensten Rotwein zu finden ist. Dann kommen etwa 0,2 – 0,3% Mineralstoffe und ungefähr die gleiche Menge Phenole, denen bei der Reifung des Weins eine zentrale Rolle zukommt. Nur etwa 0,1% des Weins besteht aus Aromastoffen, einer explodierten Apotheke aus rund 1000 verschiedenen Komponenten, die unterschiedlichen Stoffklassen wie z.B. Estern, Aldehyden oder Terpenen zugeordnet werden können. Sie machen die Seele eines Weins aus, und sie unterscheiden einen Pinot Noir aus Burgund von einem Cabernet Sauvignon aus Napa. Der geneigte Leser wird spätestens jetzt festgestellt haben, dass es ganz ohne Chemie nicht geht, will man die Reifung von Wein verstehen.

Die Chemischen Prozesse währen der Weinlagerung

In den letzten 20 Jahren konnten dank enormer Fortschritte der instrumentellen Analytik sehr viele Inhaltsstoffe von Weinen identifiziert und Mechanismen der Weinreifung aufgeklärt werden. Ich teile die Reifeprozesse in vier Gruppen ein:

  1. Rein physikalische Prozesse, im Wesentlichen das Ausfallen oder Kristallisieren von gelösten Inhaltsstoffen.
  2. Chemische Reaktionen, die zwischen den Inhaltsstoffen ablaufen. Wichtig sind hier vor allem Hydrolyse von Estern und Glykosiden, Umesterungen, Additions- und Umlagerungsreaktionen.
  3. Chemische Reaktionen mit Sauerstoff, der langsam in die Flasche diffundiert. Kein Weinverschluss ist absolut gasdicht, durch einen intakten Korken gelangen rund 10 bis 100 mg Sauerstoff pro Jahr, auch durch Schraubverschlüsse gelangen jedes Jahr einige Milligramm Sauerstoff.
  4. Chemische Reaktionskaskaden, die durch Sauerstoff induziert werden. Durch die Reaktion mit Sauerstoff entstehen oft reaktive Zwischenprodukte, die dann ihrerseits mit weiteren Inhaltsstoffen des Weins zu reaktiven Komponenten reagieren, usw.

Es gibt noch eine weitere Gruppe von Reaktionen, die hier nur kurz betrachtet werden sollen: Photochemische Reaktionen, die durch Licht ausgelöst werden. Diese gehören zu den schnellsten chemischen Reaktionen, auch bei der Weinlagerung. Sie werden durch Photonen, also Licht ausgelöst und können in der Regel nicht ohne Licht stattfinden, denn sie sind dann quantenchemisch verboten. Photochemie ist der Grund, warum Wein im Dunkeln gelagert werden muss. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Riboflavin, das durch Licht in einen aggressiven Triplett-Zustand versetzt wird und dann zum Beispiel die Aminosäure Methionin im Wein zu Methional oxidiert, das nach gekochten Kartoffeln riecht. Daraus entsteht dann unter anderem Methanthiol – eine der entscheidenden Komponenten von Mundgeruch – und Dimethyldisulfid, eine stinkende Substanz, die z.B. dem Stinkmorchel zu seinem fiesen Geruch verhilft. Helles Licht ist der grösste Feind des Weins, und ich würde niemals eine Flasche kaufen, von der ich weiss, dass sie – auch nur für wenige Tage – im ungeschützten Schaufenster stand oder mal als Trophäenwein auf dem Kaminsims gefoltert wurde. Besonders schädlich ist kurzwelliges Licht, also UV, blaues und grünes Licht, während gelbes und rotes Licht weniger Schaden anrichtet. Am besten für den Wein ist es, wenn er in völliger Dunkelheit reifen darf.

Die Chemie ist entscheidend

Nun zu den physikalischen Prozessen bei der Weinlagerung. Der bekannteste ist wohl das Auskristallisieren von Weinstein. Der ist ein Salz der Weinsäure, nämlich Kaliumhydrogentartrat und Calciumtartrat. Weinstein stört nicht, weil der Wein leicht davon abdekantiert werden kann, und weil die Bildung von Weinstein praktisch keinen sensorischen Effekt auf den Wein hat. Ein anderer, wichtiger Bestandteil des Depots, das sich im Laufe der Zeit in Rotweinen bildet, ist Tannin. Das fällt meistens erst dann aus dem Wein aus, wenn es durch chemische Reaktionen polymerisiert ist. Dazu später mehr.

Mit original Depot des 2008 Léoville Poyferré

 

Die erste Gruppe der chemischen Reaktionen kommt ohne Sauerstoff aus. Diese spielen eine wichtige Rolle beim Reifen von Wein. Viele Fruchtaromen gehören chemisch zur Gruppe der Ester. Sie können zum Beispiel nach Ananas (Buttersäureethylester), Orange ((S)-2-Metylbuttersäureethylester), Passionsfrucht (Hexylhexanoat), Birne (Isoamylbutyrat), Banane (Isobutylacetat), Apfel (Essigsäurehexylester) oder Pflaume (Zimtsäuremethylester) duften. Sie sind mit ein Grund dafür, dass fast alle Weine kurz nach dem Abfüllen durch eine köstliche Fruchtphase gehen. Ester sind aber in saurer wässriger Lösung – und genau das ist ein Wein – recht instabil, sie werden in ihre Säure und den Alkohol hydrolysiert; die intensiven Fruchtaromen verschwinden nach wenigen Jahren. Übrigens sind viele Reinzuchthefen darauf getrimmt, spezielle Fruchtester zu erzeugen. Viele billige Weissweine erhalten durch Reinzuchthefen so ihre intensiven Fruchtaromen. Und genau deshalb müssen sie bald getrunken werden, denn schon nach wenigen Jahren sind all diese duftenden Ester durch Hydrolyse zerstört. Eine andere Gruppe von Fruchtaromen, die zu den Terpenen gehören, sind chemisch sehr inert und überdauern Jahrzehnte. Limonen und Myrcen, die nach Zitrusfrüchten duften, gehören dazu.

Auch Glykoside sind wichtige Komponenten von Wein, zum Beispiel die Anthocyane. Glykoside bestehen aus einem Zuckerteil und einem oft hydrophoberen, aromatischem Rest. Im Laufe der Zeit wird die Verbindung zwischen diesen beiden Molekülteilen hydrolysiert. So werden einerseits Zucker freigesetzt, weswegen der Zuckergehalt im Wein mit Lagerung ganz leicht ansteigt, und andererseits entstehen z.B. aus den Anthocyanen die Anthocyanidine, die als Polyphenole an weiteren Reaktionen teilnehmen können.

Die flüchtigen Aromen im Wein

Eine wichtige Gruppe von Aromen sind die Aldehyde. Beispielsweise riecht Decanal nach Orangenschale oder (E)-2-Hexenal nach Apfel. Viele der niederen (kleinen) Aldehyde sind flüchtig und tragen so zum Bukett des Weins bei. Benzaldehyd riecht nach Bittermandel und Marzipan, Vanilin, dessen Molekülstruktur dem Benzaldehyd ähnelt, duftet natürlich nach Vanille, Hexanal riecht vegetabil grün, nach frisch geschnittenem Gras und Tomatenblättern, Furfural riecht nach Bittermandel, Karamell und Malz. Die Aldehydgruppe ist recht reaktiv und reagiert gerne mit Nucleophilen wie Aminen oder Thiolen, die ebenfalls im Wein enthalten sind – auch Schwefeldioxid reagiert mit einigen Aldehyden. Flavonoide, eine wichtige Stoffgruppe in Weinen, können durch Acetaldehyd aneinandergekoppelt werden – ein wichtiger Mechanismus bei der Reifung von Weinen. So kann Acetaldehyd, der z.B. mit Sauerstoff aus Ethanol entsteht, Tanninmoleküle miteinander verknüpfen und den Wein dadurch weicher und weniger adstringierend machen. Redoxchemisch betrachtet stehen Aldehyde zwischen dem Alkohol und der Carbonsäure, und deshalb werden sie im Abschnitt über die sauerstoffinduzierten Reaktionen wieder auftauchen.

Je wärmer das Weinlager, desto schneller reift der Wein?

Die meisten chemischen Reaktionen laufen umso schneller ab, je höher die Temperatur ist. Der Chemiker Jacobus van´t Hoff formulierte im 19. Jahrhundert die RGT-Regel (Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel), nach der chemischen Reaktion bei einer Temperaturerhöhung um 10°C zwei- bis viermal schneller ablaufen. Zwar ist diese Regel eine sehr grobe Vereinfachung, die nur in der Nähe der Raumtemperatur gilt, aber über den breiten Daumen ist sie recht hilfreich.

Müsste dann ein Wein bei 22°C nicht einfach schneller reifen als bei 12°C? Ja und nein! Tatsächlich reift ein Wein bei etwas höherer Temperatur schneller. Aber das Ergebnis ist nicht das gleiche! Das liegt daran, dass Wein ein enorm komplexes Stoffgemisch mit tausenden verschiedenen Stoffen ist, in dem unglaublich viele verschiedene Reaktionen ablaufen. Und nicht alle Reaktionen werden im selben Masse beschleunigt, wenn die Temperatur ansteigt. Deshalb ist die RGT-Regel auch nur eine vage Daumenregel. Bei 22°C laufen also manche Reaktionen 8fach schneller, andere nur doppelt so schnell wie bei 12°C. Und weil es sich um Reaktionskaskaden handelt, die Produkte der einzelnen Reaktionen ihrerseits mit anderen Reaktionspartnern weiter reagieren, und deren Reaktionsgeschwindigkeiten von den Konzentrationen der Reaktanden abhängen, führt eine Temperaturdifferenz von 10°C zu einem ganz anderen Ergebnis. Ein Wein, der 5 Jahre bei 22°C lagerte, riecht anders, schmeckt anders, ist ein anderes Stoffgemisch als ein Wein, der 10 Jahre bei 12°C reifen konnte. Es kommt eben nicht das Gleiche heraus, wenn man ein frisch gelegtes Ei für 5 Minuten bei 100°C in Wasser kocht oder für 3 Wochen bei 37°C hält. Die perfekte Kellertemperatur liegt um 12°C, wobei 10 bis 15°C als optimaler Bereich gelten. Freilich ist es kein Problem, einen jungen Wein für ein Jahr bei 20°C aufzubewahren – nur zur langjährigen Einlagerung und zur Reifung von Weinen sind so hohe Temperaturen ungeeignet.

Der Austausch von Sauerstoff in der Flasche

Während der Weinlagerung gelangen kontinuierlich winzigste Mengen von Sauerstoff durch den Verschluss in den Wein. Kein organisches Material ist diffusionsdicht gegen Sauerstoff. Auch durch einen Korken diffundiert dieses Gas, der Diffusionskoeffizient wurde auf rund 10-9 m-2s-1 bestimmt, wobei sich eine sehr grosse Schwankungsbreite zeigt (J. Agric. Food Chem. 2012, 60, 13, 3348-3356); die Diffusion durch Kork folgt dabei dem Fickschen Gesetz – eine Erkenntnis, die den Diffusionsprozess belegt (J. Agric. Food Chem. 2014, 62, 37, 9180-9185). Das bedeutet, durch einen Korken diffundieren pro Jahr ganz grob 10 mg Sauerstoff – das ist deutlich mehr, als im Luftraum der verschlossenen Flasche enthalten ist. Dieser Sauerstoff spielt bei der Reifung von Weinen eine Rolle, wobei es offensichtlich ist, dass bei der Weinlagerung zu viel davon unerwünscht ist.

Weinstein und Bodensatz

Rotwein enthält neben dem Gerbstoff Tannin auch Procyanidine und monomere sowie oligomere Catechine, hauptsächlich als Gallocatechine (das sind Flavanole mit Gallatrest, der auch ein Strukturelement des Tannins ist). Diese sind für den harschen, adstringierenden und manchmal bitteren Eindruck von verschlossenen, zu jungen Rotweinen verantwortlich. All diese Stoffe sind Polyphenole, die durch Sauerstoff oxidativ kuppeln und polymerisieren können. Diese Polymerisation kann zur Bildung von Depot führen, weil die Löslichkeit von Polymeren mit deren Molmasse abnimmt. Sie führt aber auch dazu, dass die Gerbstoffe im Wein „reifen“, also weniger harsch und adstringierend werden. Ein wesentlicher Vorgang bei der gewünschten Reifung von Wein ist also die oxidative Kupplung der Polyphenole, die Sauerstoff benötigt. Entscheidend ist dabei nicht nur die absolute Menge des zur Verfügung stehenden Sauerstoffs, sondern auch die jeweilige Konzentration des Sauerstoffs zu einem gegebenen Zeitpunkt. Ist diese nämlich zu hoch, erfolgen zu viele andere, unerwünschte Oxidationen – zum Beispiel die von Alkoholen zu Aldehyden oder Ketonen. Die Zufuhr des Sauerstoffs muss also sehr langsam erfolgen, so dass ein sog. dynamisches Gleichgewicht (steady state) bei sehr geringer Konzentration von freiem Sauerstoff beibehalten wird.

Wieviel Sauerstoff die Gerbstoffe eines Weins insgesamt verbrauchen können, hängt von der Menge und der Zusammensetzung dieser Gerbstoffe ab, dieses Potenzial wird auch als TRC (total reducing capacity) oder auch TEAC (Trolox Equivalent Antioxidant Capacity) bezeichnet. Der Luftraum in einer frisch gefüllten Weinflasche ist ca. 5 ml, das entspricht rund 1,4 mg bzw. 0,045 mmol Sauerstoff. Ein typischer Rotwein enthält rund 4000 mg/l GEA (Gallussäureäquivalente), was einer TRC von grob 20 mmol/l entspricht (siehe z.B. Food and Nutrition Sciences 05(17), 1660-1667). Der Sauerstoff im Luftraum einer verschlossenen Flasche kann also grössenordnungsmässig nur 0,3% der im Wein enthaltenen Gerbstoffe oxidieren.

Bei ganz jungen Weinen sind die Tannine oft weniger adstringierend und harsch. Das liegt daran, dass deren Anlagerung an die Proteine der Mundschleimhaut aggressiver wird, wenn die Polyphenole eine gewisse Grösse erreicht haben. Nach wenigen Jahren sind sie durch oxidative Kupplung so langkettig geworden, dass sie den Wein besonders harsch wirken lassen. Erst mit weiterem Wachstum wechselwirken die Tannine stärker mit sich selber und wirken weicher, bis sie schliesslich als Depot ausfallen.

Dank perfekter Kellerbedingungen waren diese beiden Pauillac aus 1917 noch in guter Verfassung und ohne Fehler

Dank perfekter Kellerbedingungen waren diese beiden Pauillac aus 1917 noch in guter Verfassung und ohne Fehler

Stabile Verhältnisse während der Weinlagerung

Mindestens so wichtig wie die richtige Temperatur ist bei der Weinlagerung die Abwesenheit von Temperaturschwankungen. Häufige Temperaturschwankungen um mehrere Grad Celsius sind Gift für einen Wein. Ideal ist eine absolut konstante Temperatur. Schwankt die Temperatur im Jahresrhythmus mit den Jahreszeiten, ist das nicht schlimm. Ein Naturkeller (also ein nicht technisch klimatisierter Keller) schwankt um die Jahresdurchschnittstemperatur der Region. Je tiefer der Keller im Boden liegt, desto geringer ist diese jährliche Temperaturamplitude, erst in rund 12 – 15 m Tiefe ist die Bodentemperatur das ganze Jahr über konstant und entspricht exakt der Jahresdurchschnittstemperatur am Boden. In Mitteleuropa beträgt die jährliche Temperaturschwankung in 2 m Tiefe schon 13°C. Schädlich für den Wein wird es, wenn die Temperatur mit dem wöchentlichen Wetter oder schlimmstenfalls täglich mit Tag und Nacht schwankt. Aber warum ist das so? Hier kommt die Physik ins Spiel. Während sich Feststoffe wie Glas nur sehr wenig mit der Temperatur ausdehnen, ist die Wärmeausdehnung von Flüssigkeiten viel grösser. Noch stärker wollen sich Gase mit der Temperatur ausdehnen, aber anders als Flüssigkeiten sind sie kompressibel – sperrt man sie ein, steigt mit der Temperatur der Druck, weil sie sich nicht ausdehnen können. In einer Weinflasche teilen sich 750 ml Wein und etwa 3 bis 6 ml Gas den Raum. Bei einer Erwärmung um 10°C steigt der Druck in einer Weinflasche durch die Wärmeausdehnung der Flüssigkeit um einige bar an. Da Korken nicht diffusionsdicht sind und Druckunterschiede die Diffusion beschleunigen, wird mit jeder signifikanten Temperaturerhöhung vermehrt Wasser- und Ethanoldampf aus der Flasche herausgedrückt, und mit sinkenden Temperaturen Luft in die Flasche hineingesogen. Passiert das in 20 Jahren 20 Mal, ist der Effekt vernachlässigbar, passiert das aber 1000 oder 5000 Mal, ist der Effekt gravierend.

Die Luftfeuchte während der Weinlagerung ist wichtig

Auch zu trocken sollte die Luft im Weinkeller nicht sein. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens kann Wasserdampf langsam und in geringen Mengen durch den Korken diffundieren. Wie schnell das passiert, hängt auch von dem Konzentrationsgefälle des Wasserdampfs über die Diffusionsbarriere, also zwischen Innen- und Aussenseite des Korkens ab. So wie Wäsche in trockener Luft schneller trocknet, so verliert eine Weinflasche mehr Wasser, wenn es aussen trockener ist. Noch wichtiger ist der zweite Effekt von trockener Luft: Die Barriereeigenschaften von Kork hängen sehr stark von seinem Feuchtigkeitsgehalt ab. Trocknet ein Korken aus, wird er für alle Gase sehr viel durchlässiger als ein feuchter Kork. Während auf der Innenseite der Wein dafür sorgt, dass der Korken dort feucht bleibt, hilft eine hohe Luftfeuchtigkeit von der Aussenseite, dass der Korken nicht austrocknet und in der Folge nicht für Sauerstoff durchlässiger wird.