Dass Wein ganz anders schmeckt und riecht als Traubensaft, liegt an den Fermentationsprozessen, die bei der Umwandlung von Weintrauben, -beeren oder Traubensaft in Wein stattfinden. Für den wichtigsten, aber keineswegs den einzigen Fermentationsprozess, nämlich die alkoholische Gärung, sind die Hefen verantwortlich.

Einen sehr grossen Einfluss auf den Geschmack insbesondere bei trockenen Weinen hat der Abbau von Zucker (spezifischer: von Saccharose, Glukose und Fruktose) durch die Hefe. Weil Traubensaft so um die 200 – 250 g/l Zucker enthält – das ist mehr als das Doppelte von Coca Cola -, hat das Entfernen dieses Zuckers einen enormen Einfluss auf den Geschmack. Der Zucker wird dabei über Brenztraubensäure zu Ethanol und Kohlendioxid verstoffwechselt, wobei die Hefe Energie gewinnt. Offensichtlich hat das Ethanol einen grossen Einfluss auf Geruch und Geschmack von Wein, denn Ethanol hat nicht nur einen eigenen Geruch, sondern es erhöht auch die molekulardisperse Löslichkeit von hydrophoben Aromamolekülen und macht sie so für die retronasale Aromen Wahrnehmung besser zugänglich.

Aber für das Aromenprofil eines Weins sind die zahlreichen Nebenprodukte des Hefemetabolismus wesentlich. Hierbei kann man nach ihrer Herkunft zwischen zwei Gruppen von Aromastoffen unterscheiden: Die erste sind Molekülbruchstücke, die durch enzymatische Spaltung aus Molekülen freigesetzt werden, die bereits in den Trauben enthalten sind. Die zweite Gruppe sind Moleküle, welche die Hefen selber synthetisieren.

Eine wichtige Quelle der ersten Gruppe sind Glykoside, die zahlreich in Trauben enthalten sind. Das ist eine Stoffklasse, bei der ein meist hydrophopes Aglycon gykosidisch an ein Zuckermolekül gebunden ist. Dieser Zuckerteil des Glykosids ist dafür verantwortlich, dass diese Stoffe keinen ausgeprägten Geruch bzw. kein Aroma haben, weil er den Dampfdruck des Glykosids dramatisch verringert. Jedoch ist das Aglycon alleine oft ein Aromastoff – so sind Monoterpene in Trauben oft glykosidisch gebunden. Anthocyane sind zum Beispiel solche Glykoside in Rotwein, deren Aglycone die Anthocyanidine sind. Andere Beispiele von Aglyconen sind Flavone, Flavonole und zahlreiche Monoterpene. Auch stark riechende Thiole wie 4-Methyl-4-mercaptopentan-2-on und 3-Mercapto-1-hexanol, die beide für den charakteristischen Duft nach tropischen Früchten von Sauvignon Blanc mitverantwortlich sind, werden erst durch die Hefe aus geruchslosen, an Cystein gebundene Vorstufen freigesetzt. Wenige Nanogramm (Milliardstel Gramm) pro Liter dieser Geruchstoffe sind schon wahrnehmbar. Ein weiteres Beispiel von Aromen, die von Hefen aus in Trauben enthaltenen Vorstufen gebildet werden, sind C13-Norisoprenoide wie bata-Ionon (Veilchen), beta-Damascon (Rosen) oder beta-Damascenon (tropische Frucht). Deren traubeneigene Vorstufen sind Carotinoide.

Wer hier gefahr läuft, abzuhängen, weil er in Chemie nie aufgepasst hat, der findet hier denselben Artikel etwas vereinfacht formuliert. Der Rest darf gerne hier weiterlesen.

Aber nicht alle Aromastoffe in Wein waren frei oder in chemisch gebundener Form schon in den Trauben vorhanden. Hefen sind Lebewesen mit einem komplexen Stoffwechsel. Wie jedes Lebewesen betreiben sie Proteinbiosynthese, stellen also komplexe Eiweissmoleküle her. Im zentralen Kohlenstoff-Stoffwechsel produzieren sie neben Ethanol und CO2 auch Aromastoffe wie Diacetyl (nussig, buttrig) oder Acetaldehyd (in geringen Konzentrationen fruchtig, in höheren Konzentrationen grasig und apfelig). Noch wichtiger sind aber sekundäre Metabolite, denn die Hefen stellen zum Beispiel die Moleküle, aus denen ihre Zellwände gebildet werden, selber her. Kurzkettige Fettsäuren können enorm intensiv riechen, aber noch viel grössere Bedeutung als Aromastoffe haben die Ester von Fettsäuren, die die Hefen produzieren. Viele Ester riechen nach Früchten wie Himbeere, Ananas, Pfirsich, Aprikose oder Banane. Solche Fruchtaromen können also von Hefen hergestellt werden, ohne dass deren Synthone (grössere Strukturelemente der Moleküle) bereits in den Trauben vorhanden waren. Manche Reinzuchthefen wurden speziell darauf gezüchtet, bestimmte esterbasierte Fruchtaromen zu produzieren. Ester haben aber die Eigenschaft, in sauren oder basischen wässrigen Lösungen hydrolysiert zu werden. Weine, deren Fruchtaromen überwiegend auf Estern basieren, verlieren daher relativ schnell ihre Frucht und sind nicht für lange Kellerreife geeignet. Fruchtaromen, die dagegen auf Terpenen, Norisoprenoiden, Mercaptanen oder Heterocyclen basieren, überdauern Jahre und Jahrzehnte im Wein, weshalb Sauvignon Blanc seine tropische Frucht und Riesling seine Zitrusaromen auch nach langer Kellerreife behalten.

Interessanterweise können Hefen sogar Monoterpene wie Linalool (Maiglöckchen, Lavendel, Koriander) oder Citronellol ohne traubeneigene Vorstufen herstellen.

Hefe in Wein im Glas

Eine weitere Gruppe von Aromen, die von Hefen synthetisiert werden, stammen aus deren Aminosäuremetabolismus. So werden von der Hefe höhere Alkohole über den sogenannten Ehrlich-Reaktionsweg hergestellt, um Ketosäuren, die aus der Desaminierung oder Transaminierung von Aminosäuren entstehen, auszuscheiden. Die auf diesem Weg entstehenden alpha-Ketosäuren können zu den aromenintensiven Aldehyden decarboxiliert werden. Diese Aldehyde können von den Hefen entweder mittels NADH zu deren Alkoholen reduziert oder aber mit NAD+ in die korrespondierenden Carbonsäuren oxidiert werden. Beispiele für Aromastoffe, welche die Hefen auf diesem Weg produzieren, sind Isoveraldehyd (nussig-fruchtig), Amylalkohol (Marzipan), Isoamylacetat (Banane), Isobutyraldehyd (Apfel) oder Phenylacetat (floral, Rose, Honig). Höhere Alkohole können aber auch aus dem Zuckerstoffwechsel über Pyruvat und andere Zwischenprodukte der alkoholischen Gärung entstehen. Auch dabei werden Ketosäuren erst zum Aldehyd decarboxiliert und dann zum Alkohol hydriert. Das angenehm duftende Hexanol dagegen entsteht in der Hefe aus den ungesättigten langkettigen Fettsäuren Linol- und Linolensäure.

Eine dritte Gruppe von Aromen entsteht aus den Zellbestandteilen der abgestorbenen Hefe durch Autolyse (ein appetitlicheres Wort für Verwesung), die bei langem Ausbau auf der Hefe relevant sind und durch Batonnage intensiviert werden können. Eine wichtige Rolle im Aromenprofil spielen diese Autolysenoten in Champagner. Hier spielen unter anderem Mannoproteine, die Bestandteil von Proteinen der Zellwände sind, und Lipide, die im weiteren Verlauf in Fettsäuren gespalten werden und zu Aldehyden und Ketonen umgesetzt werden können, eine Rolle.

Man sieht also, dass Wein keineswegs einfach nur Traubensaft mit Alkohol und ohne Zucker ist. Die Hefe trägt entscheidend zur Bildung von wesentlichen Aromastoffen des Weins bei. Freilich spielen auch andere Fermentationsprozesse, allen voran die malolaktische Gärung, sowie bei gereiften Weinen chemische Prozesse im Alterungsprozess des Weins eine Rolle beim Aroma von Wein.

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