Wer den Dolcetto unterschätzt, begeht einen grossen Fehler

In unserer zweiten Ausgabe „new cellar inmate“ geht es um eine Traubensorte, welche von vielen gemieden wird wie der Teufel das Weihwasser.

Die landläufige Meinung über den Dolcetto ist nicht die beste. Die Winzer haben ihm früher einfach zu wenig Beachtung geschenkt. Das hat sich seit einiger Zeit geändert, und der Dolcetto hat sich zu einem veritablen, ja hervorragenden Wein entwickelt, der meist für wenig Geld zu haben ist. Was nur wenige wissen: Dolcetto kann gut reifen. Es müssen keine 20 Jahre sein, aber auch dieser Wein kann sich bis zu 10 Jahre positiv entwickeln.

Dolcetto Solatio von Brovia in der Flasche

Daher ist unser new cellar inmate: „Solatio“ von Brovia – ein Dolcetto. Dieser Wein wird nur in den allerbesten Jahren produziert. Der letzte Jahrgang dieses Weins war somit 2009. Er stammt aus einem kleinen Weinberg mit über 50 Jahre alten Reben in Serralunga. Hier haben die Trauben einen höheren Säuregehalt. Dolcetto muss normalerweise sofort nach der Reife geerntet werden, da die Trauben sonst abfallen. Diese spezielle Parzelle kann aber in guten Jahren acht bis zehn Tage länger hängen. So können die Trauben sowohl mit hohem Säuregehalt als auch mit hoher Reife geerntet werden. Das kommt aber relativ selten vor. Das Endprodukt ist ein Dolcetto, der tiefer und reichhaltiger ist und gleichzeitig eine hohe Säure aufweist. Normalerweise kommt dieser Wein in den Vignavillej. Er wird spontan im Betontank vergoren und in Stahl ausgebaut, ohne Holzkontakt. Die Nase des 2019er erinnert eher an einen Supercru. Der Wein hat deutlich weniger Frucht in der Nase als ein normaler Dolcetto. Er erinnert eher an einen Moulin à Vent aus dem Beaujolais. Sensationelle Tiefe und Länge, sehr tief, sehr Gamay. Was für eine schöne Nase mit Veilchenduft. Darunter satte, süsse, schwarze und rote Kirschen. Auch der Mund ist nicht typisch Dolcetto. Wir sind nicht so up front in kitschiger, riesiger Frucht. Wir haben mehr Länge, fast Nebbiolo-artige Elemente, mit einem salzigen Abgang. Zwar mit roter Frucht, aber viel schlanker, viel feiner. Ich finde immer noch, dass der Vergleich mit einem Cru von Moulin à Vent absolut passt. Das ist der grösste Dolcetto, den ich je in meinem Leben getrunken habe. Wirklich ein Traumwein! Die Bewertung ist zu Recht astronomisch hoch für einen Dolcetto.